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Leistungsbewertungen an Hochschulen: Vor- & Nachteile
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Leistungsbewertungen gehören zu den zentralen, ständigen Komponenten der Hochschulerfahrung. Gute Noten dienen seit vielen Jahren dem Nachweis von Engagement und akademischen Spitzenleistungen, doch das Verfahren, durch das sie erlangt werden, hat nicht immer für Begeisterung gesorgt. Und durch die gegenwärtige globale Pandemie sind die Dinge jetzt im Begriff, sich rapide zu verändern. Könnte damit auch eine Veränderung hinsichtlich des standardmäßigen Benotungssystems einhergehen?
Das Studentenleben ist für alle eine schwierige Phase im Leben, insofern man einen Ausgleich schaffen muss zwischen einem sozialen Leben und akademischen Erfolg. Die Messung der Fähigkeiten und des Kenntnisstandes erfolgen in aller Regel durch ein Benotungssystem, dessen Hauptziel darin besteht, die Leistung von Studierenden zu bewerten. Im Laufe der Jahre hat es verschiedene Meinungen und Erhebungen zur Rolle bzw. der Frage der Notwendigkeit von Leistungsbewertungen an Hochschulen gegeben. Insofern ferner die digitale Bildung aufgrund der COVID-19-Pandemie zur neuen Normalität wird, ist das Benotungsverfahren modifiziert und noch umstrittener geworden. Um zu beantworten, ob Leistungsbewertungen an Hochschulen immer noch notwendig sind, werden in diesem Artikel die Vor- und Nachteile erörtert und eine Einschätzung über die Zukunft des Benotens abgegeben.
Noten als wertvolles Instrument zur Erfassung der akademischen Entwicklung
Es gibt unterschiedliche Benotungssysteme, um zu bewerten, wie gut eine akademische Leistung in qualitativer und quantativer Hinsicht ist. Zu den gängigsten Verfahren, um über den akademischen Erfolg eines Studierenden zu entscheiden, gehört das Pass/Fail-Benotungssystem, bei dem es nur zwei Optionen gibt, nämlich bestanden oder nicht-bestanden. Allerdings gibt es auch kompliziertere Benotungssysteme, die Studierenden als Ergebnis nicht nur „bestanden” oder „nicht-bestanden” liefern, sondern ihre akademische Leistung zudem mittels einer Zahlen- oder Buchstabenskala bewerten. So benoten die Hochschulen in Deutschland (mit Ausnahme juristischer Fakultäten) beispielsweise mit einer Skala von 1 bis 5, wobei 1 die höchste Note darstellt. Die Note eines Studierenden kann durch eine einzelne Prüfung bzw. schriftliche Arbeit entschieden werden oder die Durchschnittsnote aus einer Reihe von Studienarbeiten und Tests aus dem Semester darstellen. Benotungssysteme haben mehrere Vorteile, nämlich:
- Indikator für Fortschritt
In den meisten Fällen sind gute akademische Noten ein deutlicher Beleg für den Lernfortschritt. Routinemäßiges Benoten erleichtert Dozenten und Studierenden gleichermaßen, sich einen Eindruck darüber zu verschaffen, wie viele der gelehrten Inhalte verstanden wurden und wo die Studierenden stehen.
- Feedback von den Dozenten
Noten dienen als wertvolles Feedback von den Dozenten. Sie befähigen die Studierenden dazu, ihre Stärken und Schwächen zu identifizieren sowie festzustellen, worauf sie sich stärker konzentrieren müssen, um ihre Gesamtleistung zu verbessern.
- Leichteres Verfahren
Benotungssysteme haben das Studieren in vielerlei Hinsicht vereinfacht. Wer nur bestehen möchte, braucht sich einfach nur weniger anstrengen, um eine ausreichende Note zu bekommen, während diejenigen, die ein höheres Ergebnis anstreben, sich bei ihren Aufgaben mehr anstrengen müssen, um die gewünscht Gesamntote zu erreichen. Es liegt im eigenen Interesse der Studierenden, sich um bessere Noten zu bemühen, doch wer den Stress ablegen möchte, kann dies durchaus tun.
- Klare Bewertung des Kenntnisstands
Das Ziel von Noten besteht vor allem darin, durch ein bestimmtes Bewertungsverfahren einen „objektiven” Überblick über den Kenntnisstand der Studierenden zu vermitteln. Das bedeutet, dass die Note direkt mit der Erreichung der festgelegten Lernziele korreliert.
- Noten als Nachweis vorhandener Kompetenzen
Neben dem Wissen, das Studierende während ihres Hochschulstudiums erlangen, gewinnen sie auch wichtige Kompetenzen, die von den künftigen Arbeitgebern verlangt werden. Gute Noten zeigen, dass ein Studierender über bestimmte Fähigkeiten verfügt, für deren Ausbildung sie ihre Zeit investiert haben, und dass sie bereit sind, schwer zu arbeiten.
Insgesamt steht es außer Frage, dass Leistungsbewertungen an Hochschulen viele Vorteile mit sich bringen. Sie erzeugen in den Köpfen der Studierenden ein Verantwortungsgefühl und setzen einen hohen Maßstab, nach dem man streben kann. Die meisten Lehrkräfte sind der Auffassung, dass summative Bewertungen speziell zur Vergabe von Noten konzipiert seien, um die Kompetenz von Studierenden zu dokumentieren und Auskunft über den Lernfortschritt zu geben, weshalb aus ihrer Sicht Noten eine notwendige Komponente des Hochschulstudiums darstellen. Gleichwohl gibt es gegensätzliche Sichtweisen, die der Auffassung, wonach die Leistungsbewertung ein vorteilhaftes Verfahren ist, widersprechen.
Die Nachteile von Leistungsbewertungen
Sowohl Studierende als auch Lehrkräfte haben Bedenken geäußert, dass das Benotungssystem in der Hochschulbildung mehr Schaden als Nutzen anrichte. Die primäre Absicht von Hochschulen liegt darin, die Studierenden dazu anzuregen, eine höhere Eben des Diskurses, Wissens und persönlichen Wachstums zu erreichen. Mit einem derart steifen und einheitlichen System kann bisweilen das Gegenteil eintreten – Motivationsmangel und erhöhter Stress. Wie lauten also genau die Argumente gegen das Benoten an Hochschulen?
- Hoher Stress
Zu den Hauptbedenken gehört, dass Noten eng mit Belastungen verbunden sind. Das ständige Streben nach guten Noten erzeugt Stress, der schwer zu handhaben ist. Statt verbesserter Leistungen ist das Ergebnis häufig Überforderung und ein noch größeres Zurückfallen. Darüber hinaus können Benotungen bei „schwächeren” Studierenden, deren akademische Leistungen nicht so gut sind wie die ihrer Kommilitonen, zu Depressionen und Demotivation führen.
- Ständiger Vergleich
Der Druck, gute akademische Leistungen beizubehalten, führt zu ständigen Vergleichen unter den Studierenden. Nicht nur erhöht dies den Stress weiter, sondern führt auch zu Unzufriedenheit und geringerer Wettbewerbsfähigkeit. Wenn ein Studierender zum wiederholten Mal eine bestimmte Note erhält, dann fehlt ihm die Motivation, mehr zu erreichen.
- Ungenaue Leistungsabbildung
Es kann geltend gemacht werden, dass das Bestehen bei einer Prüfung nicht plausibel genug ist, um zu erklären, dass jemand durch diese Prüfungen ein enormes Maß an Wissen erlangt hat. Oft ist es aufgrund von Stress, dass Studierende hinter den Erwartungen zurückbleiben und damit eine Verschlechterung der Note erleiden.
- Subjektivität im Benotungssystem
Bei Prüfungen bzw. schriftlichen und mündlichen Studienleistungen finden zwar unterschiedliche Bewertungssysteme Verwendung, doch es wird häufig einschränkend eingewendet, dass Benotungen subjektiv sind, insofern sie auf Werturteilen beruhen. Eine Prüfung ist in vielen Fällen ein singuläres Ereignis, das das im Semester angehäufte Wissen bestimmt. Es ist nahezu unmöglich, dass man allgemeinverbindlich erklären kann, wie viel die Studierenden gelernt haben.
Fest steht, dass das Benotungssystem seine Mängel hat. Ein noch dringenderes Problem stellt die globale Pandemie dar, die einen fast vollständigen Übergang zur digitalen Bildung mit sich gebracht hat. Die Hochschulen hatten wenig bis keine Zeit, um sich anzupassen, was bei Studierenden zu Unzufriedenheit geführt hat. Die vollständig online erfolgende Bildung hat Fragen über die Art der Leistungsbewertung aufgeworfen.
Benotungen während der Pandemie: Sollten sie angepasst werden?
Im Laufe der Jahre hat es zahlreiche Veränderungen in den Benotungssystemen der Hochschulen gegeben, und die jüngsten Veränderungen wurden durch die COVID-19-Pandemie herbeigeführt. Viele Prüfungen wurden mit alternativen Leistungen ersetzt oder komplett aufgehoben. An zahlreichen Hochschulen können die Studierenden vorerst selber entscheiden, wie sie bewertet und erfasst werden. Inmitten der Campus-Schließungen erhielten Studierende von einigen Hochschulen und Professoren die Chance, ihre Kurse mit „bestanden/nicht-bestanden” zu beenden. Doch auch wenn ein solches System die Beklemmung verringern kann, so hat es ebenfalls seine Nachteile. Beispielsweise werden Credits, die über das Pass/Fail-System erlangt werden, nicht immer für einen neuen Studienplan akzeptiert.
Andererseits sind viele Hochschulen trotz der drastischen Veränderungen des Studentenlebens angesichts der Pandemie zögerlich gewesen, ihr Benotungssystem für das Semester zu verändern. Die Frage, die sich stellt, ist, was das für die Leistungsbewertung an Hochschulen in Zukunft bedeutet.
Sollten Benotungen komplett abgeschafft werden?
Noten können Segen und Fluch sein. Sie stellen eine Möglichkeit dar, Dein Lernen zu bewerten und Deinen Fortschritt zu dokumentieren. Doch wenn Noten zur Priorität werden, kann das Verständnis von bzw. das Interesse an Kurskonzepten im Streben nach einer optimalen Benotung verlorengehen. Eine Alternative zum herkömmlichen Benotungssystem besteht darin, dass die Lehrenden anstelle von Zahlennoten die Leistung der Studierenden durch Kommentare evaluieren. Kommentare vermitteln den Studierenden Feedback sowie konstruktive Kritik und ermöglichen ihnen, an ihren Schwächen zu arbeiten. Diese Art der Bewertung wurde zwar an einigen Hochschulen ausprobiert, hat sich jedoch noch nicht als nachhaltig erwiesen.
Schon vor der Pandemie wurden Änderungen an den herkömmlichen Benotungen und akademischen Zeugnissen gefordert. Das Argument, dass die Abschaffung der Zahlennoten Stress verringert und Lernen steigert, wird seit Jahren vorgebracht, obgleich noch nicht alle Studierenden dieses Benotungssystem aufgeben möchten.
Jedoch gibt es zu jeder Situationen zwei Seiten zu berücksichtigen: Auch wenn es stimmt, dass einige Studierende den ständigen Druck, nach akademischen Spitzenleistungen zu streben, schwierig zu handhaben finden, ist die Benotung eine entscheidende Komponente im Bildungsprozess. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass das Benotungssystem an Hochschulen in Zukunft vollständig aufgegeben wird, wenngleich einige Veränderungen denkbar sind. Insbesondere wegen der Pandemie und der Auswirkungen der Online-Bildung sind weitere Diskussionen über die Art der Bewertung und Dokumentierung studentischer Leistungen potenziell möglich. Dies könnte schließlich in Zukunft einen längerfristigen Einfluss auf die Benotungsstrategien und -praktiken in der Hochschulbildung zur Folge haben.